von Jan Rotring | Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten
Röhrenamp kaputt durch Bedienfehler

Röhrenamp kaputt durch Bedienfehler  ·  Quelle: Yuri Arcurs / Alamy Stock Foto

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„Diese scheiß Röhrenamps“, schimpfte er, „immer ist irgendwas!“ — So äußerte sich ein befreundeter Gitarrist zu seinem kaputten Marshall. Doch es dauerte nicht lange, bis sich herausstellte: Der Fehler lag nicht beim Amp – sondern beim Nutzer. Diese kleine Episode soll nun Anlass sein, über Bedienfehler bei Röhrenverstärkern zu sprechen. Und darüber, was genau den Röhrenamp kaputt macht. Denn: Viele Schäden lassen sich vermeiden, wenn man die häufigsten Bedienfehler kennt und ein paar Grundregeln beachtet. Schauen wir also auf fünf typische Ursachen, die Röhrenamps das Leben kosten können – und wie wir sie im besten Falle vermeiden.

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1. Standby nicht genutzt

Die Standby-Taste am Röhrenamp mag veraltet wirken — ist sie aber nicht. Und auch wenn es pedantisch erscheinen mag, darauf zu pochen: Sie ist einer der wichtigsten Schutzmechanismen für das Innenleben eines Röhrenverstärkers. Der Standby-Schalter sorgt in der klassischen Schaltung dafür, dass die Röhren der Vor- und Endstufe vor dem eigentlichen Spielen die nötige Betriebstemperatur erreichen können. Und zwar in einer gemäßigten Geschwindigkeit. Als thermisch stark belastete Bauteile sind Röhren dankbar über alles, was ihnen den Wechsel von kalt zu heiß leichter macht.

Wenn man aber den Standby-Schritt überspringt und direkt mit voller Lautstärke ins Riff steigt, kann das die Lebensdauer der Röhren dramatisch verkürzen – oder im schlimmsten Fall den Röhrenverstärker kaputt machen.

Die richtige Reihenfolge beim Einschalten lautet also: Zuerst den Power-Schalter betätigen, dann etwa 30 Sekunden warten, bis die Röhren erwacht sind – erst dann auf den Standbyschalter drücken und loslegen. Beim Ausschalten läuft’s dann genau andersherum: Zuerst auf Standby, dann Power aus. So simpel, so entscheidend. Wer das beherzigt, gibt seinem Röhrenamp die Chance auf ein langes Leben – und spart sich teure Reparaturen oder häufige Röhrenwechsel für Gitarristen.

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2. Kein Lautsprecher angeschlossen

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Ein weiterer Klassiker unter den fatalen, ich-fass-mir-an-die-Stirn Fehlern: Amp an, Gitarre rein – aber kein Speaker angeschlossen. Was bei Transistorverstärkern vielleicht noch halbwegs glimpflich ausgeht, ist bei Röhrenamps ein garantierter Weg in die Katastrophe.

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Denn anders als die transistorbasierten Kollegen benötigen Röhrenverstärker immer eine angeschlossene Last, sprich: eine Lautsprecherbox, eine Loadbox oder zumindest einen geeigneten Lastwiderstand.

Fehlt diese Last, kann sich die Leistung der Endstufe nirgendwo entladen – und der Amp „kocht“ sich selbst und schon ist der Röhrenamp kaputt. Wer es technischer mag und es genau wissen will: Die Ausgangsübertrager des Amps bekommen ohne angeschlossene Last laufend Spannungsimpulse, die nicht verarbeitet werden können. Im schlimmsten Fall ruinieren diese Impulse dann den Trafo oder die Endstufenröhren.

Die Lösung ist simpel: Niemals den Röhrenamp einschalten, ohne dass die passende Box korrekt verbunden ist.

Und bitte – bitte – nicht mit vermeintlichen Lautsprecherkabeln improvisieren, die eigentlich Gitarrenkabel sind! Es ergibt einfach keinen Sinn, einen Amp für ein paar hundert oder tausend Euros zu kaufen und dann auf ein paar Kröten für geeignete Lautsprecherkabel zu gucken.

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3. Billige Stromversorgung

Der nächste Punkt klingt banal, ist aber mitunter tückisch: eine schlechte Stromversorgung. Viele Gitarristen (und vermutlich Musiker im Allgemeinen) unterschätzen die Bedeutung von sauberem, stabilen Strom für ihren Amp – und schließen ihren 5000-Euro-Verstärker an eine durchgeleierte Baumarkt-Steckdosenleiste an, die schon der Wasserkocher überfordert.

Klar, im ersten Moment funktioniert das auch. Aber wehe, die Spannung schwankt, die Erdung ist mangelhaft oder es gibt Störungen im Stromnetz. Dann wird aus gutem Röhrensound schnell ein Brummen, Knacken – oder eben: gar nichts mehr.

Vor allem bei älteren Gebäuden oder auf Bühnen mit abenteuerlicher Verkabelung (ich nenne sie gern „Mehrfachstecker-Hölle“) lohnt es sich, in einen Power Conditioner oder Spannungsregler zu investieren. Diese kleinen Zauberkästen schützen nicht nur vor Spannungsspitzen, sondern verlängern auch die Lebensdauer der empfindlichen Bauteile im Amp.

Klar ist aber auch: Kein Stromkabel der Welt ist 1000,- Euro wert. Wer als HiFi-Enthusiast das entsprechende Kleingeld hat und ausgeben will, sollte das dringend machen. Den Spaß will ich niemandem nehmen. Nur technisch notwendig ist DAS dann nun wirklich nicht mehr. Saubere Spannung allerdings schon. Das hat auch Kollege Claudius schon untersucht: Ein billiges Stromkabel klingt genau so gut wie ein Vovox-Kabel?

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4. Zu viel Gain

Gain ist nicht gleich Volume!
Gain ist nicht gleich Volume! · Quelle: John Hanson Pye / Alamy Stock Foto

High-Gain klingt fett. Punkt. Aber wer den Gain-Regler permanent bis zum Anschlag dreht, tut seinem Röhrenamp keinen Gefallen – und ganz nebenbei übrigens auch dem eigenen Sound nicht.

Besonders bei älteren oder nicht gerade für brutale Verzerrung gebauten Verstärkern kann ein dauerhaft übersteuerter Vorstufenbereich zu thermischen Problemen führen. Die Röhren laufen heiß, erzeugen unnötig viel Rauschen, werden mikrofonisch – oder verabschieden sich weit vor ihrer Zeit.

Eines der größten Missverständnisse ist dabei folgendes: Viele Gitarristen verwechseln Gain mit Lautstärke. Dabei ist Gain nichts anderes als die Eingangsempfindlichkeit – und wer die übertreibt, erzeugt nicht automatisch mehr „Power“, sondern vor allem matschigen, komprimierten Klang.

Weil’s halt „mehr“ ist, neigen wir jedoch immer wieder dazu, am Gain-Rädchen zu drehen. Was vielfach nicht im Bewusstsein ist: Die Vorstufe des Amps wird dadurch dauerhaft (über-) belastet. Und das rächt sich irgendwann – meist mitten in der Probe oder auf der Bühne.

Die bessere Lösung ist, den Sweet-Spot des eigenen Amps zu suchen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gain, (Master-) Volume und EQ bringt nicht nur besseren Sound, sondern auch eine deutlich längere Lebensdauer der einzelnen Komponenten. Und wer wirklich mehr Zerre braucht, ist mit einem guten Overdrive-Pedal oft besser beraten. Da hat sich Andreas neulich für euch umgetan: Die teuersten Verzerrer-Pedale für Gitarre

5. Röhren verschleißen lassen

Röhrenwechsel Schritt für Schritt
Röhrenwechsel Schritt für Schritt · Quelle: Blumbaker / Alamy Stock Foto

Röhren sind Verschleißteile. Und nur, weil viele Gitarristen hoffen, dass ihr geliebter Verstärker „für immer“ so klingt wie am ersten Tag, ist das leider nicht wahr.

Vorstufenröhren halten je nach Nutzung mehrere Jahre, Endstufenröhren meiner Erfahrung nach jedoch deutlich kürzer – vor allem, wenn man sie heiß fährt oder nie abkühlen lässt.

Das Problem: Der schleichende Verfall fällt oft nicht sofort auf. Ist ein bisschen so, als würde man mal zehn Jahre nicht in den Spiegel schauen — der tägliche Verfall fällt nicht groß auf, kumuliert aber. Bei Amps wird dann der Ton dünner, die Dynamik lässt nach, plötzlich fängt’s an zu rauschen oder zu brummen – und irgendwann kommt kein Ton mehr.

Viele Gitarristen ignorieren die ersten Warnzeichen des Röhrenalterns, bis der Amp endgültig schweigt. Dabei ist ein rechtzeitiger Röhrenwechsel keine große Sache – und vor allem deutlich günstiger als eine komplette Reparatur des geliebten Röhrenamps.

Wer beim sündhaft teuren Vintage-Schätzchen absolut auf Nummer-Sicher gehen möchte, sollte seinen Amp einmal im Jahr vom Techniker durchchecken lassen. Doch mit etwas Vorsicht, einem Multimeter und Workshop-Know-how lässt sich ein Röhrenwechsel auch selbst erledigen. Auf unseren Workshop weise ich an dieser Stelle gern erneut hin: Röhrenwechsel für Gitarristen.

Bonus: So behandelst du deinen Röhrenamp richtig

Immer schön umsichtig behandeln - sonst ist der Röhrenamp kaputt!
Immer schön umsichtig behandeln – sonst ist der Röhrenamp kaputt! · Quelle: Adam Gasson / Alamy Stock Foto

Zwischen „kaputt“ und „ewig haltbar“ liegen oft nur ein paar einfache Gewohnheiten. Anders als die oben beschriebenen 5 Todsünden bringen die folgenden fünf Punkte ein bisschen mehr Sicherheit und (hoffentlich) auch Lebensdauer.

Lass deinen Amp regelmäßig atmen
Auch wenn du gerade keine Band hast oder in der stressigen Phase zwischen zwei Gigs steckst: Schalte den Röhrenamp hin und wieder ein, damit die Bauteile durchwärmen und nicht „einfrieren“. Elektronik, die zu lange ungenutzt bleibt, altert oft schneller als solche, die regelmäßig betrieben wird. Und dann ist der Röhrenamp kaputt, obwohl der „eigentlich nie benutzt“ wurde.

Dein Amp ist ein Instrument – kein Werkzeug
Ein Röhrenamp ist kein Schraubenschlüssel. Er enthält empfindliche Glaskolben, Bauteile auf Platinen und mechanisch sensible Röhrensockel. Stöße, Vibrationen, krasse Klima-Unterschiede oder unsanftes Abstellen können kleinste Defekte verursachen – mit Folgen, die oft erst Wochen später auffallen. Ein gut gepolstertes Case oder zumindest ein robuster Ampbag ist Pflicht, wenn du regelmäßig unterwegs bist.

Gönn ihm Luft!
Röhren werden, wenn es gut läuft, heiß. Wer seinen Amp daher in einen geschlossenen Regalwürfel stellt, ihn mit einem Handtuch abdeckt oder im Proberaum direkt an die Heizung schiebt, riskiert einen potenziell gefährlichen Hitzestau. Der führt auf Dauer zu vorzeitigem Röhrenverschleiß oder sogar Hitzeschäden an anderen Bauteilen. Faustregel: Immer für ausreichend Belüftung sorgen – besonders oben und hinten.

Check dein Setup vor jedem Gig
Ein kurzer Blick auf Speaker-Kabel, Steckdosen, Impedanz-Schalter und Standby reicht oft schon, um grobe Schnitzer zu vermeiden. Mach es dir zur Routine – genau wie das Stimmen deiner Gitarre oder der Pre-Flight-Check am Privat-Jet. Dein Amp wird es dir danken.

Hab einen Plan B
Auch wenn der Röhrenamp top in Schuss ist: Irgendwann passiert es doch. Ein kleines Backup-Setup (z.  B. ein Mini-Amp, ein Preamp-Pedal mit DI-Out oder ein Multi-FX mit Amp-Modeling) kann dir im Ernstfall den Gig retten. Und kostet oft weniger als ein Satz neuer Endstufenröhren.

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Fazit: Röhrenamp kaputt ist kein Schicksal – sondern meist hausgemacht

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Ein Röhrenamp ist kein empfindlicher Luxusartikel, aber eben auch kein Gerät, das man wie einen Toaster behandelt. Er will gepflegt, verstanden und respektiert werden – denn dann belohnt er uns mit großartigem Sound, Charakter und Dynamik.

Die fünf Fehler, die wir in diesem Artikel besprochen haben, sind leider keine Seltenheit. Sie passieren aus Hektik, Unwissen oder einfach aus Gewohnheit – aber sie sind vermeidbar. Vielleicht erinnert ihr euch beim nächsten Einschalten an meinen Kollegen mit dem traurigen Blick und dem „scheiß Röhrenamp“-Fluch.

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